1860 war kein großes Jahr der Weltgeschichte. In jenem Jahr, da sich im kleinen Linzgaudorf Großschönach erstmals Musiker zusammentun, spielen sich in der Welt aber doch einige bedeutende Dinge ab. England und Frankreich besetzen Peking, Abraham Lincoln wird zum Präsidenten der USA gewählt und Wissenschaftler bekommen erste Hinweise auf ein Leben in der Tiefsee. Für die Musikwelt sind drei Ereignisse bedeutend: Gustav Mahler und Hugo Wolf werden geboren, Friedrich Silcher, der große Liederkomponist, stirbt. In einer Zeit also, in der Amerika noch von der Sklaverei beherrscht wird, das Universum in weiten Teilen noch nicht erforscht und Mahlers prägende Symphonien noch nicht erdacht sind, kommen neun mutige Männer zusammen, um gemeinsam zu musizieren. Aus Groß- und Kleinschönach sind es Thomas Hermann, Friedrich Hermann, Mathäus Hermann, Georg Weih und Karl Roth, aus Taisersdorf Blasius Lohr, Ignaz Willibald und Johann Willibald sowie aus Katzensteig Ignaz Butscher. Es ist der Beginn eines Vereins, der das öffentliche Leben der drei Gemeinden Großschönach, Hattenweiler und Taisersdorf über Jahrzehnte entscheidend mitprägt. Dieser Zusammenschluss darf als mutiger Schritt bewertet werden, schließlich war es erst die dritte dörfliche Musikkapelle, die im damaligen Bezirk Pfullendorf gegründet wurde.
1860...
... wäre es wohl nie zur Gründung der Musikkapelle gekommen, wenn die Bevölkerung das Vorhaben nicht unterstützt hätte: Nach der Überlieferung stifteten die Bauern der Pfarrgemeinde das Geld für die Instrumente.
Die ersten musikalischen Anleitungen erhalten die Gründer von Hauptlehrer Maier in Pfullendorf und, wie neuere Nachforschungen in den Archiven ergaben, vom in Großschönach tätigen Hauptlehrer Walser. Nach einigen Monaten Lehrzeit übernimmt dann Ignaz Willibald den Dirigentenstab und 1861 spielt die Kapelle zum erstenmal vor den erfreuten Dorfbewohnern. Im Pfarrbuch von Großschönach ist jedenfalls der erste schriftliche Beleg zu finden: „Am Fronleichnamsfeste dieses Jahres spielt zum erstenmal wieder bei der Prozession die neu errichtete Musikbande.“
1869...
... heiratete Gründungsmitglied Thomas Hermann Rosa Lohr, die Schwester von Blasius Lohr, auch Gründungsmitglied.
In den folgenden Jahren steigt die Zahl der Musiker rasch, das Vereinsleben beginnt, lebendig zu werden. Für das Dorfgeschehen wird die Kapelle unentbehrlich, wie ein Bericht in der Konstanzer Zeitung vom 29. Mai 1885 über die Versammlung des Militärverbandes Pfullendorf in der „Krone“ in Großschönach zeigt: „Nachdem der Vorstand des Militärvereins Schönach, Herr Bürgermeister Werner, die anwesenden Vereine in warmen Worten willkommen geheißen, begann der geschäftliche Teil, der rasch abgewickelt war und einer sehr gemütlichen Stimmung Platz machte, die wesentlich erhöht wurde durch wohlgelungene Vorträge aus dem Soldaten- und Kriegsleben, sowie durch treffliche Musikvorträge der Musik von Großschönach und Herdwangen.“
1874...
... dürfte einer der ersten größeren Auftritte außerhalb des Dorfes gewesen sein: Die Kapelle spielte bei der Gründung des Militärvereins Herdwangen
Im Jahr 1890 feiert man das erste Musikfest mit Fahnenweihe. Zehn Jahre später findet dann das 40-jährige Jubiläum in größerem Rahmen statt. Es kommen acht Musikkapellen aus der Nachbarschaft, um mitzufeiern. In diesen Jahren genießt die Musikkapelle Großschönach einen recht guten musikalischen Ruf. Vier Jahre vor Kriegsausbruch hat man noch einmal Grund zu feiern: Das 50-jährige Gründungsfest steht an. Wie die Konstanzer Zeitung später berichtete, feiern noch zwei Gründer des Vereins mit: Dirigent Ignaz Willibald aus Taisersdorf und Blasius Lohr, der damals auf dem Ramsberg wohnt. Zehn Kapellen statten Großschönach einen Besuch ab: Denkingen, Frickingen, Militärvereinsmusik Herdwangen, Feuerwehrmusik Herdwangen, Linz, Lippertsreute, Owingen, Pfullendorf, Wintersulgen und Zell a.A., Illmensee fehlt, weil laut Zeitungsbericht der Dirgent erkrankt ist. Weiter heißt es: „Der Vereinsführer Ignaz Willibald hatte eigens einen Jubiläumsmarsch komponiert, der mit dem Chor ‚Brüder reicht die Hand zum Bunde’ von rund 150 Musikern gemeinsam vorgetragen, besten Anklang fand. Die Festrede über die Geschichte der Musikkapelle hielt Hauptlehrer Stoffler. Ein Festbankett in der ‚Krone’ beschloss den Jubiläumstag.“
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